Ja, liebe Besucherinnen und Besucher, auch das noch – wir bloggen jetzt!
„Ja wieso das denn? Gibt’s überhaupt was zu erzählen?“ Ja, das gibt es – vielleicht gerade jetzt, wo es im pandemie-durchrüttelten Alltag gerade so wenig Möglichkeiten gibt, sich persönlich zu unterhalten. Und wir halten eigentlich gerne mal ein Schwätzchen, erzählen Ihnen von unserem Alltag, geben Lese-, Hör- und Guck-Tipps und weisen freundlich den Weg zum WC – oder dem Kopierer, Scanner, Kassenautomat, oder diesem roten Buch, das ganz sicher mal dort in diesem Regal …. Na, Sie wissen schon.
Zu Pandemiezeiten geht das nicht wirklich gut. Wir sprechen mit Mundschutz durch Plexiglas. Wir verstehen Sie schlecht und Sie uns auch. Alles semioptimal, wenn auch notwendig. Also suchen wir kreative Wege, uns Ihnen wieder etwas ausführlicher mitteilen zu können. Was liegt da näher als ein Blog?
Zumal es ja wirklich immer viel zu erzählen gibt! Glauben Sie nicht? Ha – was wir alles gefragt werden! Es gibt so viele Missverständnisse…. Bibliotheken sind geheimnisvolle Ort, niemand weiß so richtig, wie sie funktionieren. Aber für viele Menschen sind sie ein Sehnsuchtsort – Bücher – wändevoll – zu allen Themen! “Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.” sprach schon Cicero und man fragt sich verblüfft, wusste der alte Römer damals schon, was 2020 bei uns los sein wird???
Abends beim Abschließen habe ich mal beinahe jemand übersehen: „Ich hätte mich gefreut, wenn ich hier heute hätte übernachten müssen!“ war der einzige freundlich Kommentar – keine Angst vor dem Einschließen. Nachts in der Bibliothek – allein mit über 100.000 Büchern – für viele eine Traumvorstellung. Fragt man mich, warum ich Bibliothekarin geworden bin, sage ich immer „weil der Ort so wichtig für mich war“. Nicht nur die Bücher haben mich dorthin gezogen – stundenlang Cassetten hören, mit der besten Freundin in der Comic-Ecke rumlümmeln, Referatsthemen besorgen – und ja ja ja… natürlich habe ich auch gerne gelesen – aber eben nicht nur! Als ich meine Ausbildung nach dem Abi in der heimischen Stadtbibliothek zur Bibliotheksassistentin absolvierte, begrüßte mich am ersten Tag Frau Mayer– eine Bibliotheksmitarbeiterin wie aus dem Bilderbuch – Brille, strenger Blick, leicht ergrautes Haar – mit den Worten: „Ich weiß noch, wie Du als kleines Mädchen wegen einer Mahnung heulend vor mir standest. Du hattest ein Sagen-Buch überzogen! Aber das kam nur einmal vor, gell? Du warst ja dreimal die Woche bei uns – mit 14 hat es aber nachgelassen…“ BAM – ich war ein offenes Buch – aber irgendwie auch gleich zuhause. Von welche Arbeitsstelle kann man das schon sagen?
Heute: Corona wirft uns Bibliotheken zurück in die Zeit der Ausleihstation oder Thekenbibliothek. Thekenbibliothek? Die Älteren werden sich erinnern – in den 50er/60er-Jahren führte in vielen Öffentlichen Bibliotheken der Weg zum Buch nur über die Bibliothekarin oder den Bibliothekar. Keine Regale für Bücher in „Freihand-Aufstellung“ – die Besucher erwartete ein Schalter oder eine Theke. Dem dort verorteten Bibliothekar/in sagte man nun, was man so ungefähr lesen wolle. Die Bibliothekar/in entschied, ob sie das auch ausgibt… Ja, irgendwie kommen die Vorurteile gegenüber meinem Berufsstand ja her!
Zurück zu heute! Veranstaltungen: gestrichen.
Trubel in der Kinderbibliothek mit Robotern und Kapla-Türmen: nicht denkbar.
Mittagspausen-Treff mit den Schulkumpels: geht gar nicht!
Internet: ja, aber bitte fix.
Ausleihe: Soviel Sie tragen können – unbedingt!
In der Phase der ersten Welle, irgendwann im Mai, sprach mich ein Herr hinterm Plexiglas an: „Warum ist es denn so leer bei Ihnen – Sie haben doch wieder auf? Es ist so eine gespenstische Stille fast! Ich finde es unheimlich…“ Mutiert die heimische Stadtbibliothek wieder zur Ausleihstation fällt das direkt auf – und funktioniert für viele Besucher einfach nicht mehr. Auch wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben das schmerzlich und brutal. Jetzt im November während ich hier am Auskunftsplatz im 1. Stock diese Zeilen in den PC tippe, denke ich wieder an dieses Gespräch – gespenstische Stille, auch heute wieder.
Also bloggen wir! Wir rufen ein lauten „Hallo – wir sind noch da!“ in die Welt und laden Sie ein uns zu folgen – persönlich, direkt, hinter die Kulissen – hinein in unseren großen Bibliotheksgarten.
Beate Meinck