Erinnerungskoffer in der Stadtbibliothek Reutlingen

Blogbeitrag zum Weltalzheimertag am 21. September

von Tanja Schleyerbach

Das Erfüllende an der Arbeit in der Bibliothek ist: wir begegnen vielen verschiedenen Menschen, sind für den Einkauf und die Bestandspflege vielfältiger Medien verantwortlich, und wir können uns immer neue Angebote ausdenken, mit denen wir u.a. Menschen erreichen können, die nicht (mehr) in die Bibliothek kommen können. Zu meiner Studienzeit wurden diese Konzepte als „aufsuchende Bibliotheksarbeit“ bezeichnet. Heute fallen viele davon in das Sachgebiet „Vielfalt“. Unsere neu in den Bestand aufgenommenen Erinnerungskoffer sind ein gutes Beispiel für Medien, die auch Menschen mit Einschränkungen einen besonderen Zugang zur Stadtbibliothek Reutlingen ermöglichen.

Ein Koffer voller Erinnerungen

Erinnerungskoffer sind mit Gegenständen bestückt, die für die Biografiearbeit geeignet sind und um Erinnerungen an vergangene Zeiten des Lebens wachzurufen. Für unseren Bestand haben wir die Themenkoffer „Im Haus“, „Unsere Tiere“, „Wilde Zeiten“ und „Ach guck mal“, „Männer“, „Musik und Tanz“ und „Draußen sein“ ausgewählt. Eine Diskokugel, ein Zauberwürfel, Stofftiere, Haushaltsgegenstände, Bücher, CDs, Filme oder Karten mit fast vergessenen Wörtern und Redewendungen sind einige Beispiele für den Inhalt der Erinnerungskoffer.

Ein Blick in drei Erinnerungskoffer, die sich im Medienbestand der Stadtbibliothek Reutlingen befinden.

Erinnerungen schaffen Identität

Wir möchten aber auch etwas für Menschen tun, die eine andere Kultur und Sprache aus einer früheren Zeit ihres Lebens als Erinnerung in sich tragen. Zur Entscheidungsfindung für die richtigen Sprachen haben wir mit Demenzfachstellen und Pflegefachkräften Kontakt aufgenommen. Aus den Gesprächen konnten wir einen ersten, ortsbezogenen Bedarf für unser Einzugsgebiet ermitteln und haben uns daraufhin für die Sprachen Kroatisch und Russisch entschieden. Und jetzt wurde es spannend. Was packen wir in diese Koffer? Bildbände und Kochbücher, CDs und Filme, Noten, Puzzle, Briefmarken, Lavendel, landestypische kulturelle Gegenstände, ausgedruckte Fotokarten, Kaffee und Tee, ein Stofftier, ein Auto, eine Saunamütze, eine Teerseife, Parfum, Rasierwasser und vieles mehr.

Mit länderbezogenen Erinnerungskoffern wird berücksichtigt, wie wichtig Herkunft für Identität ist. Der Inhalt der Koffer kann so zum Erzählen motivieren.

Ein Stück Lebensgeschichte zurückerhalten

Erinnerungen nicht zu verlieren bedeutet ein Stück Lebensqualität im letzten Lebensabschnitt zu erhalten, die über die Grundversorgung hinausgeht. Durch die Erinnerungskoffer können Menschen sich mit schönen Gerüchen, Bildern, Musik, Filmen, Erinnerungen und Gegenständen beschäftigen, die in ihrem bisherigen Leben eine Rolle gespielt haben. Da das Langzeitgedächtnis oftmals in die Kultur des Herkunftslandes zurückreicht, ist es besonders wichtig, dass die Koffer auch diese Lebensabschnitte abdecken. Von einer Nutzung der Erinnerungskoffer können auch Familien profitieren. Zum Beispiel dann, wenn Großeltern ihren Enkeln von früher erzählen möchten. Gemeinsam können sie mithilfe der Erinnerungskoffer Bilder anschauen, Musik hören und Gegenstände zu Wort kommen lassen.

Wenn sich Menschen mit Demenz an lebensgeschichtliche Ereignisse erinnern, trägt dies zu ihrem Wohlbefinden bei und sie fühlen sich wieder stärker in ihrer Identität. (www.pflege.de / Foto: pixabay)

Unterstützung für Angehörige und Pflegekräfte

Der Alltag von Angehörigen oder Pflegekräften in Einrichtungen, die Demenzerkrankte pflegen, ist in der Regel mit zahlreichen Aufgaben gefüllt und kann nur mit viel Kraft und Engagement bewältigt werden. Mit den von uns zusammengestellten Erinnerungskoffern stellen wir ein Medium bereit, das niederschwellig (es muss lediglich ein Bibliotheksausweis vorhanden sein) für einen Zeitraum von vier Wochen mit Verlängerungsmöglichkeit ausgeliehen werden kann. Institutionen haben die Möglichkeit, sie kostenlos zu entleihen und individuelle Ausleihtermine zu vereinbaren (Kontakt: tanja.schleyerbach@reutlingen.de, Telefon 07121 303 2864 oder katja.schutz-nisi@reutlingen.de, Telefon 07121 303 2848).

Wir möchten alle, die demenzerkrankte Personen in ihrem Umfeld haben, einladen, die Erinnerungskoffer bei uns in der Stadtbibliothek Reutlingen anzusehen und sie für den Gebrauch in einem abwechslungsreichen Alltag zum Einsatz zu bringen:

Hier geht es direkt zu unseren Medien.

 

 

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