von Jessica Grobelnik
Es ist die Ehrfurcht, die einen erfasst, wenn man das Wohnhaus von Johann Christoph Friedrich Schiller in der Schillerstraße 12 im thüringischen Weimar betritt. Eine Besichtigung des Hauses ist mit einem verhältnismäßig kleinen Obolus möglich, insofern man doch weiß, welche Geschichte es in sich trägt. Wandelt man doch auf den Spuren des im Schwäbischen geborenen Dichters, der im Jahr 1782 das erste Mal nach Thüringen kam; unfreiwillig natürlich. Schiller floh aus Württemberg, da er dort nicht das sein durfte, für das er bestimmt war: Schriftsteller. Betritt man das heute in ein Museum umgestaltete Wohnhaus, dann begegnen einem zuerst Zitate, die Schillers Fluchtgedanken unterstreichen:
„… nur das Verbot, Schriftsteller zu seyn mich aus wirtembergischen Diensten getrieben hat…“ (Schiller an Schwan, 08.12.1782)
„Die Räuber kosteten mir Familie und Vaterland…“ (Schiller, 1784)
Für einen württembergischen Schwaben, der dem Dichter und Philosophen Schiller Anerkennung und Respekt entgegenbringt, tut sich der Gedanke auf, dass die Thüringer Württemberg damit bis heute nachtragen, dass Schiller seine Heimat verlassen musste. Vielleicht unterstreicht Thüringen damit auch seinen eigenen Anspruch auf Schiller. Aber auch wir, die Schwaben, wissen ihn zu schätzen und verehren ihn bis heute als einen der Nationaldichter schlechthin. Und gibt es doch für Schiller-Enthusiasten keine größere Freude, als auf seinen persönlichen Spuren zu wandeln. Und diese sind mehr als beeindruckend.
Die erste Gänsehaut stellt sich beim Anblick der offiziellen Haustür des Wohnhauses ein. An dieser soll Schiller Anfang Mai 1806 seinen späten Freund Goethe, dessen Wohnhaus nur wenige Gehminuten entfernt am Frauenplan liegt, das letzte Mal begrüßt haben, bevor er am 9. Mai verstarb. Merkwürdig, wenn man sich das vorstellt.
Über eine Holztreppe gelangt der Besucher in die Wohnräume der Familie Schiller. Es fällt auf, wie farbenfroh und hell jeder einzelne Raum gestaltet ist, in denen Schillers Ehefrau Charlotte und ihre vier gemeinsamen Kinder lebten. Die Ausstattung ist geschmackvoll und praktisch zugleich. Fast meint man, die trappelnden Kinderfüße, das Lachen der Eltern zu hören. Schiller, so wird hier stets betont, war ein Familienmensch durch und durch. Anders als Goethe, der mehr die Abgeschiedenheit suchte, wollte Schiller seine Familie stets um sich wissen.
Aber auch der Dichter brauchte seine eigenen Räume zur Inspiration. Genau über den Zimmern der Familie befindet sich eine zweite Wohnung, in der sich Schiller nach seinem Einzug im April 1802 einquartierte. Hier oben wird der Besucher von ebenso hellen Räumen empfangen. Auch Freunde wurden hierhin eingeladen und es fanden sicherlich so einige angeregte freundschaftliche Diskussionen mit Goethe oder anderen hochrangigen Besuchern statt.
Erst ganz hinten, mit dem Blick zur Straße, die damals noch nicht existierte, findet sich das Arbeitszimmer Schillers. Und auch der originale Schreibtisch, an welchem die Stücke “Die Braut von Messina” und “Wilhelm Tell” entstanden.
An sich ist der Raum eher spartanisch eingerichtet. Schiller nannte eine kleine Bibliothek sein eigen, die an der Wand schräg rechts gegenüber dem Schreibtisch mit einer kleinen Bücherauswahl noch heute betrachtet werden kann. Der Dichter arbeitete oft genug die Nächte durch und wenn er zum Schlafen kam, sollte er es nicht weit haben: sein originales Bett befindet sich direkt hinter dem Schreibtisch, obwohl das offizielle Schlafzimmer sich nur einen Raum weiter befindet.
Alle Gegenstände, die auf dem Schreibtisch zu sehen sind, ja selbst der Stuhl, sollen aus dem persönlichen Besitz Schillers stammen. Und man meint fast, die Präsenz des Dichters noch spüren zu können. War es diese Feder, mit der Schiller die Taten Wilhelm Tells beschrieb? Waren es diese Kerzenhalter, die dem Dichter die Nächte erleuchteten, als er das Haus Messina dem Untergang entgegentrug? Und war es diese Uhr, die Schiller zu später Stunde begleitete, als er die letzten Zeilen des unvollendeten Fragments zu Demetrius niederschrieb? Man mag es sich gerne vorstellen und die Möglichkeit, dass sich das auch so zugetragen hat, liegt sehr nah.
Schillers Schreibtisch erscheint wie ein heiliger Schrein, ein Möbelstück, an dem Fantasie zur literarischen Wirklichkeit wurde. Und auch heute noch wird damit ein Stück wichtiger Literaturgeschichte so greifbar, wie es kaum möglich ist. Das muss beschützt werden, in jeder Hinsicht, und das Andenken bewahrt. Schiller so nah zu kommen, ist auf anderem Wege kaum möglich.
Beim Verlassen des Arbeitszimmers werfe ich einen letzten, vielleicht wehmütigen, aber doch erfüllten Schulterblick auf die Vergangenheit, die auch irgendwie Gegenwart ist. Ein jeder, der Schiller schätzt, sollte sich bei gegebener Möglichkeit einmal in seinen Bann ziehen lassen. Und seine eigenen Gedanken dazu laut in sich klingen lassen bei der Betrachtung von Schillers Schreibtisch.