von Andrea Däuwel-Bernd.
„36 Grad und es wird immer heißer“, singt Inga Humpe von der Gruppe 2raumwohnung. Was für ein Ohrwurm, passt zum Sommerwetter. Doch das Mitsingen ist mir vergangen. Gefühlte 42 Grad hat es hier im Büro der Stadtbibliothek. Ich klebe schweißgebadet auf dem Bürostuhl fest. Die Sonne liegt auf den Fensterflächen und tut, was sie als Sonne so tun muss. Als das Gebäude gebaut wurde, hat man nicht an Klimaanlagen und Beschattung gedacht. Deshalb schwitzen wir.
Erstaunlich, dass unsere Kund/innen das manchmal ganz anders empfinden. „Das ist aber schön kühl hier drinnen!“ höre ich trotz Hitze nicht zum ersten Mal. Und muss recht geben: Wenn man von der sengenden Sonne draußen hereinkommt, müssen die Räumlichkeiten der Stadtbibliothek wohl eine kühle Oase sein. Nach der Coronazeit finden sich wieder Aufenthaltsmöglichkeiten und Sitzgelegenheiten. Die Arbeitstische im 1.OG sind für kleine Gruppen, das Studienkabinett hat Einzelarbeitskabinen mit ruhiger Atmosphäre, die Zeitschriftenecke ist begehrter Leseplatz, in der Kinderbibliothek darf man auf Sitzsäcken und –würfeln lümmeln und die Sessel bei den Romanen bieten wunderschöne Ausblicke ins Grüne. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt zurück zur Normalität.
Der Kick aber sind die Liegestühle.
Liegestühle waren schon in meiner Kindheit ein Synonym für totale Muße, Entspannung und Easy Life. Die fragile Konstruktion aus Holzgestell und Leinwand enthielt ein Versprechen auf unkompliziertes Aus von den Alltagspflichten. Aufklappen, reinsetzen, alles gut. Vor wenigen Jahren hat die Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit dem Heimatmuseum Liegestühle zum Ausleihen gekauft. Nanu, fragt sich nun so manche/r: Stadtbibliotheken sollen Bücher, Zeitschriften, CDs und DVDs, eMedien und Datenbanken anbieten, aber doch keine Liegestühle? Und dann schweift der Blick hinüber zum Heimatmuseumsgarten, dieser grünen Oase inmitten der Stadt und auf die Bänke dort, die schon alle besetzt sind. Pech gehabt, kein Platz mehr frei. Glück hat jetzt, wer einen Bibliotheksausweis besitzt. Denn er oder sie kann sich einen Liegestuhl in der Stadtbibliothek ausleihen, dieses kleine Nichts hinübertragen in den Heimatmuseumsgarten, dieses kleine Nichts aufklappen und in diesem kleinen großen Alles den Vögeln lauschen, das Gras riechen und vom Nirwana träumen.
Und so ist auch die Warum-Frage beantwortet. Es sind oft die kleinen und ganz pragmatischen Dinge, die eine Stadtgesellschaft lebenswerter machen. Mit kleinen Gesten wird die Aufenthaltsqualität in der Stadt verbessert. „36 Grad und es wird immer heißer“, summt es munter in meinem Kopf. Nun ja, die Mittagspause ist nicht mehr fern. Hoffentlich sind nicht alle Liegestühle ausgeliehen…
Für alle, die ausprobieren wollen:
Gemeinsam mit dem Heimatmuseum Reutlingen haben wir Liegestühle angeschafft, die Sie an der Theke im Erdgeschoss der Stadtbibliothek ausleihen können.
Spätestens bis 19 Uhr am selben Abend bzw. samstags bis 14 Uhr muss der Liegestuhl wieder abgegeben werden. Ob noch ein Liegestuhl frei ist, können Sie in unserem Katalog nachsehen.