von Clara Schilling. „Was studierst du eigentlich?“, werde ich manchmal gefragt. Dann traue ich mich kaum den offiziellen Namen meines Studiengangs zu nennen. Mit „Informationswissenschaften“ können die meisten Leute genauso wenig anfangen, wie mit der Tatsache, dass man Bibliothekarin studieren kann.
„Ach, dann programmierst du jetzt?“
„Schon ein bisschen, aber eigentlich geht es mehr um Informationen als um Informatik.“
Nachdem ich die aufkeimende Hoffnung meiner Großeltern enttäuscht habe, dass sie jetzt eine Informatikerin zu ihren Enkeln zählen können, kommt die Frage, die alle Studierende zu fürchten wissen. „Und was kann man damit machen?“ Nun könnte man es sich einfach machen und die Antwort „Viel!“ geben, denn der Bachelor of Arts in Informationswissenschaften ermöglicht die Arbeit in allen möglichen Informationsmanagementbereichen, sowie im Kulturmanagement. Wenn ich es aber wage, den Beruf zu nennen, auf den der Studiengang speziell vorbereitet, ist der nächste Ausruf unausweichlich: „Bibliothekarin kann man studieren?!“
Das Vorurteil von der Bibliothekarin im Bleistiftrock mit schmaler Brille auf der Nasenspitze, die Regale abstaubt und Bücher liest und deren Lieblingswort „Psst!“ ist, hat sich auch im Zeitalter der Digitalisierung gehalten. Dass Bibliotheken mehr zu bieten haben als Bücher und Bibliothekar/innen mehr können als alphabetisch sortieren, wissen die meisten nicht. Woher auch? Einen Blick hinter die Kulissen bekommt man bei diesem Beruf selten.
Dabei ist es ein unglaublich toller Beruf, von dem – meiner Meinung nach – viel mehr Leute wissen sollten. Mir fällt kaum etwas ein, wo man so vielseitig arbeiten kann: Auf der einen Seite steht der Kundenkontakt mit allem, was dazu gehört, die Öffentlichkeits- und Veranstaltungsarbeit. Dann sind da die verschiedenen Managementfunktionen, wie sie jeder Betrieb zu erfüllen hat. Zu guter Letzt gibt es die Arbeit am Medium – vom Bestandsaufbau, über die Erfassung von Metadaten, um das Medium für die Nutzer/innen suchbar zu machen, zu der physischen Bearbeitung und der Präsentation im Regal. Dazu kommen noch so viele weitere Angebote, die eine Bibliothek ihren Nutzer/innen bieten kann, Innovationen im digitalen Bereich und das Schaffen eines dritten Orts in der Bibliothek, wo sich jeder willkommen fühlen kann. Als Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen hat man mit allen Themenbereichen Kontakt, zuletzt war das bei mir Nachhaltigkeit im Rahmen der Green Library.
Da jeder andere Erfahrungen macht, habe ich ein paar meiner Kolleginnen, um eine kurze Beschreibung ihres Berufs gebeten.
Elke Sockel-Zajac: „Es ist ein toller Beruf, wenn man gerne mit Schülerinnen und Schülern arbeiten möchte, aber nicht als Lehrer/in. Der große Bereich Bibliothekspädagogik bietet viel Abwechslung, immer wieder Herausforderungen und immer direktes Feedback durch einen besonderen Kundenkreis.“
Ulrike Dahl: „Kontakt zu jung und alt. Vom Kleinkind bis zum sehr alten Menschen ist alles dabei. Das macht Spass! Medien soweit das Auge blickt: Bücher, Zeitschriften, Musik-CDs, Filme – und ich habe direkten Zugang. Herrlich! Sehr viele, liebenswerte Kolleg/innen!“
Andrea Däuwel-Bernd: „Als Kind verbrachte ich oft Stunden in einer kleinen Stadtteilbücherei. Das Stöbern in den “verbotenen” Romanen für Erwachsene störte die Bibliothekarin, die dort die Aufsicht hatte, nicht. In stillen Stunden las sie selbst ein Buch. Zwischen Ganghofer und Goethe war das mein ganz persönliches Kinderparadies. Immer lesen zu dürfen, erschien mir ein toller Beruf. Die Berufswirklichkeit sah dann anders aus: Spannender halt.“
Tanja Schleyerbach: „Seit mehr als 26 Jahren arbeite ich in der Stadtbibliothek Reutlingen, und mein Beruf wird von Tag zu Tag interessanter und vielfältiger. Meine Aufgabenbereiche sind Lektoratsarbeiten für Religion, Philosophie, Sprachen, 10 Fremdsprachen und elektronische Medien, ich bin an der Information der Musik- und Erwachsenenbibliothek und für die Interkulturelle Bibliotheksarbeit, sowie für die Zielgruppenarbeit für Senioren, für Menschen mit Unterstützungsbedarf und für die Alphabetisierung und Grundbildung zuständig. Ich lerne jeden Tag Neues hinzu und bin mit vielen interessanten Menschen vernetzt und im Austausch. Wir entwickeln neue Ideen und Projekte und sind bei allem mitten in der Stadtgesellschaft, ganz nah bei den Menschen. In der Stadtbibliothek Reutlingen gibt es für jeden etwas zu entdecken! Mir ist es wichtig, in einem offenen Haus für alle Menschen dazusein – ohne Konsumzwang, ohne Zugangsbeschränkung, freundlich, wertschätzend, kompetent. In der Coronazeit eine besondere Herausforderung. Bibliothekarin zu sein ist mein Traumberuf!“
Neugierig geworden?
Hier geht’s zur Webseite meines Studiengangs an der Hochschule der Medien in Stuttgart
Außerhalb von Pandemien sind in der Stadtbibliothek Reutlingen auch Schülerpraktika möglich.
Bilder: (c) Pixabay